Gedanken
an einem nassgrauen Wintertag
Versuchen
sie mal, ganz entspannt und locker zu sein, lassen sie alles los, was
sie belastet. Lassen Sie Ihren Kopf in meine Hände fallen. Gut
gemeint, doch beim ersten Versuch, entspannt zu sein, verkrampft sich
alles in mir und es ist schlimmer als vorher mit den Schmerzen im
Kopf und im Nacken.
Anspannen
ist etwas ganz anderes als verkrampfen, vor allem wenn der Krampf
schon viel zu lange in den Muskeln steckt. Jahrelang nicht bewußt
wahrgenommen, dass im Grunde fast alles Krampf was; krampfhaft ja
fast verzweifelt, habe ich versucht, es möglichst vielen Recht
zu machen, Die Vielen merkten aber nicht von dem Bemühen,
sondern sehr viel von den Krampf. Durch den Krampf wurde das Bemühen
unglaubwürdig und damit auch ich als Person, vor allem als
Amtsperson. Denn eine Amtsperson hat Autorität und
Selbstbewußtsein auszustrahlen, muss aber zugleich kooperativ
sein und Kritik vertragen. Nichts dergleichen wurde bei mir gefunden
und ich fiel aus allen Wolken, wenn ich mal wieder feststellte, dass
ich ganz anders gesehen wurde als es meine Absicht war.
Schließlich
hatte ich nichts in Händen ausser einem Scherbenhaufen von
Missverständnissen und Fehlern, die mir erst hinterher bewußt
wurden.
Loslassen
kann ich doch nur das, was ich irgendwann mal ergriffen, begriffen,
in der Hand gehalten habe, was ich zu handhaben verstand. Aber, was
habe ich denn je ergriffen, begriffen, in der Hand gehabt, dass ich
freiwillig loslassen konnte. Musss nicht der innere Zwang, die
äussere Pflicht mehr oder weniger schnell zum Krampf führen?
Den Gas gefüllten Ballon loslassen und mich daran freuen, wie er
aufsteigt und vom Wind getrieben davon schwebt – eine schöne
Vorstellung.
Da
steigen sie auf, lautlos,
die
roten, gelben, grünen, bunten
Ballons,
gasgefüllt, losgelaasen
aus
fröhlicher Kinderhand.
Ein
lustiges Fest soll es sein,
doch
die Eltern sind verärgert
über
die schon wieder gestiegenen Preise
für
so'n Kinderkram,
so
als ob die Preise für
Bier
und Kurzen
nicht
gestiegen wären.
Den
Spass verderben, aus welchem Grund auch immer; meist aus
Gedankenlosigkeit. Die Leidtragenden sind immer die, die zu klein
oder zu schwach sind, sich wehren zu können. Der
Vereinsvorstand berichtet stolz:
Seit
Alfons die Ausbildung in die Hand genommen hat, hat er die Junioren
fest im Griff. „Wenn ich die Sache nicht in die Hand nehme,
dann läuft hier gar nichts.“ Erfolgreich, dynamisch,
teamfähig werden solche Menschen genannt und entsprechend
geehrt. Von denen, die ihm aus der Hand und unter den Tisch fallen,
spricht man nicht, die – so weiß es auf einmal jeder –
haben schon immer nicht so richtig dazu gehört.
„Sie
wissen doch“, sagt der Filialleiter zur Verkäuferin,“dass
ich sie in der Hand habe. Ein Wort zuviel und eine andere freut sich
über ihren Arbeitsplatz. Ich denke, wir haben uns verstanden.“
Sie hat verstanden und tags drauf schmerzhafte Magenbeschwerden.
Versetzt,
geschupst, getreten,
das
kleinste Rädchen im Getriebe
schuften
für weniger als Sozialhilfe:
wie
soll danoch Zeit und Kraft bleiben
für
einen kleinen Funken Selbstachtung
Der
Sohn geht vor der Schule
Zeitungen
austragen,
die
Tochter geht abends nicht zur Disko,
sie
arbeitet an der Tanke,
muss
sich von geilen Männer anmachen lassen.
Die
schulischen Leistungen
lassen
zu wünschen übrig,
meint
der Klassenlehrer.
Keiner
denkt sich was dabei,
alles
geht seinen gewohnten Gang,
bis
eines morgens im Stadtwald
die
Mutter im Baum gefunden wird.